Gern berate ich junge Eltern zum Thema "Babytrage". Sie können gemeinsam mit Ihrem Kind verschiedene Modelle testen. Ich stehe Ihnen als erfahrene Trageberaterin zur Seite.
Wenn Eltern sich monatelang auf die Geburt ihres Babys vorbereiten, sind sie froh, es endlich in den Armen halten zu können. Doch sie merken, dass ihnen das Kind in der Wiege und im Kinderwagen weniger nah ist als vorher im Mutterleib. Mütter können in eine tiefe Traurigkeit fallen, wenn sie sich vom Kind getrennt fühlen. Auch Kinder nehmen den plötzlichen Abstand wahr. Mit einem Tragetuch hat die Familie die Möglichkeit, in enger Verbindung den Alltag zu erleben. Vater und Mutter sind ihrem Kind körperlich nah, ohne das Kind die ganze Zeit auf dem Arm halten zu müssen. So bleibt die Familie in Verbindung, ohne dass wichtige Lebensabläufe gestört werden.
Ein Babytragetuch ist auch unter der Bezeichnung „Tragetuch“ bekannt. Es dient dazu, Kinder bis etwa dem dritten Lebensjahr am Körper der Mutter oder des Vaters zu tragen. Die Ursache ist pragmatisch. Bis das Kind sicher auf seinen eigenen Füßen laufen kann, wird es von den Eltern transportiert. Unsere moderne Welt hat an die Stelle des Tragetuchs den Kinderwagen treten lassen. Noch immer werden zwei Drittel der Kinder auf der ganzen Welt im Tragetuch getragen.
Die Geschichte des Tragetuchs
In Europa wurden Säuglinge und Kleinkinder noch vor 200 Jahren fast ausschließlich im Babytragetuch getragen. Nur in wohlhabenden Schichten der Bevölkerung nutzte man bereits im 19. Jahrhundert einen Kinderwagen. Diese Erfindung ermöglichte den Eltern, ihre Kinder von Außenstehenden wie Kindermädchen oder Ammen betreuen zu lassen. Das Tragetuch wurde immer weiter in den Hintergrund gedrängt.
In der Zeit ab 1970 erlebte das Babytragetuch ein Comeback. Nach dem Vorbild von Müttern aus den ärmeren Bevölkerungsschichten in Lateinamerika entdeckte Erika Hoffmann das Tragen ihrer Zwillinge als sinnvolle Alternative zu anderen Methoden. Kinderärzte sprachen sich positiv über das Tragetuch aus. Erika Hoffmann gründete ihr Unternehmen „Didymos“, um Stoffe herzustellen, die sich für Tragetücher eigneten. 2018 wurde von fünf deutschen Unternehmen der Internationale Verband Babytragen e.V. gegründet. Dieser Verband betreibt Aufklärungsarbeit und fördert das ergonomische Tragen von Babys und Kleinkindern.
Die Entwicklung des Babytragens
Das eigene Kind am Körper zu tragen galt lange Zeit als ein Zeichen von Armut. Der Kinderwagen wurde schnell zum Statussymbol. In den Industrienationen ist das Tragetuch inzwischen eine Alternative zum Kinderwagen geworden. In den Entwicklungsländern und den Schwellenländern geht der Trend in Richtung Kinderwagen, weil die Eltern ihn als Zeichen von Wohlstand sehen.
Tragetuch, Mei Tai, Halfbuckle oder Fullbuckle
Die klassische Tragemöglickeit ist das Tuch. Für Eltern, denen das Binden des Tuchs zu umständlich ist, gibt es Alternativen. So stellen fast alle Hersteller von Tragetüchern einen Mei Tai her. Er ist dem Tragetuch nah, hat aber ein Rückenteil aus einem vorgefertigten Stück Stoff.
Die Halfbuckle ist eine komfortable Lösung wenn einem die langen Bänder der Mei Tai zu umständlich sind.
Die modernste und einfachste Art ist die sogenannte Fertigtrage oder Komforttrage. Sie wir auch als Full Buckle bezeichnet. Diese Variante verfügt über Schnallen und erfordert, dass das Baby sich der Trage anpasst statt umgekehrt.
Alle Möglichkeiten können für das Tragen auf dem Bauch oder dem Rücken genutzt werden. Auch das Tragen auf der Hüfte ist bei einigen Modellen möglich.
Mei Tai
Der Mei Tai kommt aus Japan und besteht aus einem rechteckigen Stück Stoff, an dessen vier Ecken Stoffbänder aus Tragetuchmaterial genäht sind. Diese vier Stoffbahnen werden genutzt, um das Tuch an Hüfte und Schultern des Tragenden zu befestigen. So entsteht eine Art Trage für das Kind.
Wie bei der Mei Tai Trage gibt es ein rechteckiges Rückenteil, meist aus Tragetuchstoff. Halfbuckle Tragen werden auch Halbschnallen Trage genannt. Der Hüftgurt ist kürzer und besteht aus einem breiten Gurt zum binden oder mit einer Schnalle.
Aus dem Mei Tai mit seiner Nähe zum Rucksack entwickelten sich Fertigtragen, die auch als Komforttragen oder Full Buckle bekannt sind. Hier werden Schnallen eingesetzt, die das Anlegen erleichtern und leicht auf die passende Größe einzustellen sind. Vor allem Tragemuffel ziehen eine Komforttrage vor.
Auswahl verschiedener Varianten
Die Modelle für Babytragen sind zahlreich. Oft werden Tragetuch und Fertigtrage kombiniert. So entsteht eine neue Form, die Eltern und Kindern das bestmögliche Trageerlebnis ermöglichen soll. Bei der Auswahl eines Modells kommt es immer auf die persönlichen Vorlieben an. Die individuellen Bedürfnisse der Eltern spielen eine wichtige Rolle. Eltern, die ihre Kinder zu jeder Gelegenheit tragen wollen, nutzen meist mehrere Alternativen. Wer verschiedene Tragehilfen anschaffen will, sollte darauf achten, dass sie mitwachsen. Auch gebrauchte Tragehilfen sind sinnvoll, denn die namhaften Hersteller verwenden Materialien, deren Lebensdauer es ermöglicht, für zwei oder mehr Kinder im Einsatz zu bleiben.
Ein Gespräch mit der Trageberaterin vor Ort kann Klarheit bringen, welche Tragemöglichkeit optimal zu den individuellen Bedürfnissen von Eltern und Kind passt.
Die Vorteile des Babytragetuchs
Nicht nur das Kind erlebt zahlreiche Vorteile durch das Tragetuch. Auch für die Eltern und andere Familienmitglieder gibt es zahlreiche Pluspunkte.
· Die Rückenmuskulatur der Mutter oder des Vaters werden gestärkt. Sein Baby zu tragen kann sogar den typischen Rückenproblemen in unserem bewegungsarmen Alltag entgegenwirken.
· Die Hände bleiben frei für notwendige Aufgaben und auch für Geschwisterkinder.
· Die Nähe und die Bewegung wirken auf Säuglinge und Kleinkinder beruhigend. Eine Studie aus einer Kinderklinik in Zürich konnte belegen, dass Kinder mit Körperkontakt weniger schreien oder weinen.
· Das Kind erlebt die Gemeinschaft der Familie, weil es zwar nicht im Mittelpunkt, aber integriert ist.
· Die Familie bleibt mobil trotz Baby. Wanderungen durch Wald und Flur sind mit einem Tragetuch möglich, wo der Kinderwagen oft versagt. Auch der ÖPNV stellt für einen Kinderwagen oft Herausforderungen dar.
· Im Winter erfährt das Kind im Tragetuch mehr Wärme als das Kind im Kinderwagen.
· Kinder mit Hüftdysplasie werden in der Spreizhaltung in ihrer Entwicklung unterstützt.
Das Tragetuch bringt entscheidende Erleichterungen im Alltag. Es hilft den Eltern ihrem Baby nahe zu sein, sich aber trotzdem nicht selbst zu vernachlässigen oder gar zu vergessen.
Wo hat das Tragetuch seine Grenzen?
Das Baby kann nicht in jeder Situation getragen werden. So sollte es nicht zu jeder Sportart mitgenommen werden. Untrainierte Erwachsene haben am Anfang eventuell unter Rückenschmerzen zu leiden, die sich aber mit der Zeit legen. Wer keine gesunde Wirbelsäule hat, sollte über sein Vorhaben mit einem Arzt oder einer Trageberaterin sprechen.
Wann kann ein Tragetuch eingesetzt werden?
Gesunde Babys können vom ersten Tag an getragen werden. Es gibt auch keine Höchstzeit für das tägliche Tragen. Bedenken, dass das Tragen der Wirbelsäule des Kindes schaden könnte, haben sich als vollkommen haltlos erwiesen.
Ein paar Worte zum Material, aus dem ein Tragetuch gefertigt sein sollte
Selbstverständlich soll ein Tragetuch den Eltern gefallen. Doch wichtiger als Farbe und Muster ist die Qualität des Stoffs. Das klassische Tragetuch besteht aus fest gewebter Baumwolle. Seide und Wolle sind ebenfalls möglich. Wichtig ist, dass das Gewebe nicht in eine Richtung nachgibt, sondern stabilen Halt bietet. Das wird dadurch erreicht, dass die Webart für Elastizität in diagonaler Richtung sorgt. Das Tuch darf sich im Laufe des Tragens nicht lockern und muss auch in Form bleiben, wenn das Kind sich bewegt.
Die Sonderform eines Babytragetuch aus einem elastischen Stoff ist kann bei sehr kleinen Kindern mit speziellen Problemen (KISS-Syndrom) angezeigt sein. Wer sich für ein elastisches Tuch entscheidet, sollte vorher das Gespräch mit einer Trageberaterin suchen. Elastische Tücher werden anders gebunden als klassische Tragetücher und erfordern mehr Geschick und Übung. Gesunde Eltern mit gesunden Kindern sind mit einem festen Tragetuch besser bedient.
Auf die Größe kommt es an
Tragetücher sind in verschiedenen Größen erhältlich. Dabei variiert eher die Länge als die Breite. Je nach Statur der tragenden Person muss das Tragetuch länger oder kürzer sein. Eine Länge von mindestens 3,6 m ist notwendig für Kängurubindungen. Für Kreuzbindungen ist das Tuch sogar noch länger. Ein Tragetuch sollte anprobiert werden. Das Binden erfordert einige Übung, bei der die Trageberatung eine wichtige Unterstützung ist. Die Größe des Tragetuchs ist nicht von der Größe des Kindes abhängig, sondern von den Körpermaßen des Tragenden.
Tragen nach Ökostandard
Die Qualität des Tragetuchs ergibt sich auch daraus, dass es keine krebserregenden Stoffe enthält. Es muss schweiß- und speichelecht sein. Die Messlatte ist hier hoch, denn für Tragetücher gilt, dass ihr Pestizidgehalt nicht höher sein darf als der für Obst und Gemüse. Von Modetüchern und billigen Alternativen sollte Abstand genommen werden, denn das Tragetuch begleitet das Kind viele Monate lang.
Wie das Kind sich im Tragetuch wohl fühlt
Das Tuch passt sich wie eine zweite Haut individuell an die Größe des Kindes an. Das Kind wird durch das Tragetuch nicht eingeschränkt.
Kleine Kinder im ersten Lebensjahr lieben es, vor dem Bauch der Mutter getragen zu werden. Hier gilt, dass das Kind sein Gesicht zum Körper der Mutter wendet. Will es seine Umwelt neugierig erkunden, kann es auf der Hüfte oder auf dem Rücken getragen werden. Das Kind mit dem Rücken zur Mutter zu tragen, ist keine gesunde Alternative.
Die Kleidung eines Traglings
Das Babytragetuch dient als zusätzliche Textilschicht. Deshalb sollte das Baby nicht zu dick angezogen sein. Viele Eltern ziehen ihrem Kind Hosen an, die zu lang sind, weil sich die Hosenbeine durch das Sitzen im Tragetuch nach oben ziehen.
Stillen mit Tragetuch
Das Stillen im Tragetuch ist nach einer kurzen Phase der Übung für die Mutter sehr gut möglich. Hierfür wird das vor dem Bauch oder auf der Hüfte getragen. Das Tragetuch wird etwas gelockert, damit das Kind Platz hat. Später muss es wieder festgezogen werden. Ein Babytragetuch bietet zusätzlichen Schutz vor unangenehmen Blicken.
Was vor dem Kauf eines Tragetuchs oder einer Tragehilfe zu beachten ist
Wer sich entscheidet, sein Baby zu tragen, steht schon bald vor einer großen Auswahl an Produkten. Sich für das passende Modell zu entscheiden, ist nicht einfach. Wenn im Umfeld bereits Babys vorhanden sind, können sich Anfänger vielleicht das eine oder andere Modell ausleihen, um es direkt zu testen. Ist das nicht der Fall, sollte auf jeden Fall ein klassisches Tragetuch getestet werden. Eine erfahrene Trageberaterin kann wertvolle Hinweise geben. Für die schnellere und unkomplizierte Handhabung halten die Hersteller verschiedene Weiterentwicklungen des Tragetuchs bereit. Mei Tai und Komforttrage sind die häufigsten Angebote. Die folgenden Hersteller sind für ihre hochwertigen Produkte bekannt:
· Didymos
· Limas
· Hoppediz
· Manduca
· Fräulein Hübsch
· Fidella
· Ergobaby
· Emei-Baby.
Buzzidil
Kokadi
Girasol
Vor dem Kauf sollten die folgenden Fragen beantwortet sein:
Wenn das Baby oft getragen werden soll, ist ein Tragetuch die flexible Lösung, da es die meisten Tragevarianten bietet. Für kurze Spaziergänge eignet sich auch eine Komfortrage. Der Kompromiss ist der Mei Tai.
Welchen Wert lege ich auf schnelle Handhabung?
Schnell mal das Kind auf den Rücken schnallen und los geht’s? Hier ist die Komfortrage eindeutig die beste Lösung.
Wie teuer darf die Tragehilfe sein? Tragetücher sind die preiswerteste Variante der Tragehilfen. Komfortragen können schon deutlich teurer sein. Gebrauchte Komforttragen werden auf Babyflohmärkten und im Internet angeboten. Sie sind in jedem Fall einen Blick wert.
Soll mein Kind sich an die Tragehilfe anpassen oder umgekehrt? Das Tragetuch passt sich dem Baby an wie eine zweite Haut. Es gibt damit die größte Geborgenheit. Eine Komforttrage oder Fertigtrage fordert, dass das Kind sich anpasst. Hier kann eine Trageberaterin mit Rat und Tat zur Seite stehen. Sie nimmt sich Zeit, den Eltern alle Vorteile ausführlich darzulegen und Fragen zu beantworten. Gemeinsam wird die geeignete Variante herausgefunden. Die Trageberaterin arbeitet oft mit Hebammen, Kinderärzten, Orthopäden, Ostheopathen oder Physiotherapeuten zusammen.
Soll die Tragehilfe mitwachsen? Ein Tragetuch wächst mit. Es eignet sich für kleine Passagiere zwischen 0 und 36 Monaten. Komforttragen sind manchmal auf eine bestimmte Altersgruppe ausgerichtet. Das bedeutet, dass die Eltern eine neue Tragehilfe anschaffen müssen, wenn das Kind gewachsen ist.
Welches Modell ist für mich geeignet? Tragetuch, Mei Tai, Half Buckle, Full Buckle, Komforttrage? Bei der Vielfalt und den vielen Möglichkeiten ist es oft schwer herauszufinden was für den Einzelnen die richtige Babytrage ist. Es empfielt sich daher, bei einer Trageberatung die individuelle Lösung zu finden. Tragetücher der verschiedenen Firmen und auch Babytragen können dort ausprobiert, getestet und auch manchmal zum probieren ausgeliehen werden.